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Beitrag vom 04.03.2011
Europäischer Gerichtshof beschließt Unisex-Tarife für Versicherungen
Kristina Auer
In seinem Urteil vom 1. März 2011 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden, dass Unterscheidungen nach Geschlecht bei Versicherungstarifen eine Diskriminierung darstellen.
Ab spätestens 21. Dezember 2012 müssen Versicherungen nun Unisex-Tarife anbieten. Das Urteil, dass allerdings nur neu abgeschlossene Verträge betrifft, ist EU-weit gültig.
Dem Urteil liegt eine EU-Richtlinie zur Gleichstellung aus dem Jahr 2004 zugrunde, die jegliche Diskriminierung aufgrund von Geschlecht untersagt. Eine Ausnahmeklausel dieser Richtlinie, die mit dem Gerichtsbeschluss nun für ungültig erklärt wurde, erlaubte den Versicherungen bislang, dennoch nach Geschlecht zu unterscheiden, wenn dieses einen entscheidenden Risikofaktor darstelle.
Bisher wurden Versicherungstarife nach dem statistischen Risiko berechnet, wobei das Geschlecht der zu versichernden Person oft eine erhebliche Rolle spielte. So müssen Frauen in Deutschland in der privaten Krankenversicherung deutlich mehr bezahlen, weil das "Risiko" einer Schwangerschaft besteht. Auch in der privaten Rentenversicherung müssen Frauen höhere Beiträge zahlen, da sie im Durchschnitt fünf Jahre länger leben. Bei Risikolebensversicherungen und der Kfz-Haftpflicht haben Frauen dagegen Vorteile, da sie durchschnittlich gesünder leben und weniger Unfälle verursachen. All dies wird sich mit dem neuen Urteil ändern.
Viele Organisationen begrüßen das Urteil des EuGH. "Es ist sehr gut, dass sich der hohe Stellenwert der Gleichbehandlung im Unionsrecht gegenüber den Versicherungsgepflogenheiten durchgesetzt hat", äußerte sich Jutta Wagner, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbunds (djb) zu dem Urteil. Dem Juristinnenbundes zufolge ist nun vor allem eine zügige Neuberechnung der Tarife durch GesetzgeberInnen und Versicherungsaufsicht wichtig.
Auch der Total E-Quality e.V., der sich für Chancengleichheit von Männern und Frauen im Beruf einsetzt, äußerte sich in einer Pressemitteilung erfreut über die Entscheidung des Gerichtshofs. "Menschen haben unterschiedliche Risiken aufgrund ihres Verhaltens, nicht aufgrund ihres Geschlechts", sagte die Vorsitzende Eva Maria Roer. Mit dem Urteil werde eine Veränderung in einem Bereich angestoßen, indem viele Menschen eine geschlechtsspezifische Stigmatisierung klaglos hingenommen hätten, so Roer weiter.
Heide Härtel-Herrmann vom Frauenfinanzdienst Köln freute sich vor allem in Bezug auf die Beiträge zur privaten Rentenversicherung über das Gerichtsurteil, denn hier sind die Unterschiede für Männer und Frauen am höchsten. Außerdem kritisierte das unabhängige Finanzberatungsbüro für Frauen das Verhalten vieler VertreterInnen der Branche, die auf das Urteil mit einem entsetzten Aufschrei reagierten und ein Steigen der Beiträge für alle Versicherten ankündigten.
"Das Urteil bietet keine Veranlassung, über die Erhöhung der Prämien nachzudenken, sondern lediglich über die diskriminierungsfreie Lastenverteilung", sagte auch die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, Marlies Brouwer. Mit der Ankündigung zu grundsätzlich höheren Prämienzahlungen werde versucht, den VersicherungsnehmerInnen das Urteil für mehr Gerechtigkeit madig zu machen. Der Frauenrat fordert die Versicherungswirtschaft daher auf, die Berechnungen offen zu legen, nach denen höhere Beitragssummen nötig werden.
Das vollständige Gerichtsurteil finden Sie unter:
curia.europa.eu
Weitere Infos finden Sie unter:
www.djb.de
www.frauenrat.de
www.total-e-quality.de
www.frauenfinanzdienst.de
www.spiegel.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Equal Pay Day 2011
(Quellen: Deutscher Journalistinnenbund, Total E-Quality e.V., Deutscher Frauenrat, Spiegel, Frauenfinanzdienst)